"Alles, was ich je getan habe"
- Janice Unruh
- 4. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Gestern habe ich mich auf besondere Weise mit Johannes 4 beschäftigt – der Geschichte von der Frau am Jakobsbrunnen. Ich habe sie mehrfach gelesen, in meiner Bibel-App gehört und gebetet: „Herr, zeig mir, was ich nicht sehe.“
Ehrlich gesagt bekam ich nicht genau den Insight, nach dem ich suchte. Aber ich habe etwas Fühlbares erlebt: Ich konnte den Schmerz dieser Frau spüren, ihre Wunden, ihre Ausgrenzung und die Scham, die sie getragen hat.
Denn diese Frau war gesellschaftlich ausgegrenzt. Die Tatsache, dass sie zu einer ungewöhnlichen Uhrzeit zum Brunnen ging, zeigt, dass sie andere Menschen meiden wollte. Sie war eine Samariterin, und Juden wie Jesus hielten normalerweise Abstand von Samaritern. Zudem war sie als Frau in dieser Zeit besonderen Einschränkungen und Vorurteilen ausgesetzt. Männer sprachen selten öffentlich mit Frauen, besonders nicht mit denen, die eine bewegte Vergangenheit hatten. Hinzu kamen ihre persönlichen Verletzungen, Fehler und Scham, die sie wohl in Einsamkeit trug, tief verborgen hinter den dicken Mauern ihres Herzens. Und Jesus legt genau dort seinen Finger auf den tiefsten Schmerz, an die Stellen, wo sonst niemand hinreicht – mitten in ihre verletzlichste Wunde. Nicht, um zu beschämen – das entspricht nie seinem Herzen –, sondern um zu befreien und zu heilen.
Ich spürte es so stark, weil ich weiß: Wir alle tragen Verletzungen in uns. Ich weiß nicht, welche tiefen Wunden du in deinem Herzen trägst. Ich weiß nicht, wie deine Kindheit war, was du in deinem Zuhause erlebt oder gehört hast. Ich weiß nicht, mit welchen geheimen Kämpfen du ringst – Sünde, Scham, Enttäuschungen oder Sehnsüchte.
Aber eines weiß ich: Wir alle suchen Wege, unsere schmerzhaften Wunden zu lindern. Wir greifen zu unseren eigenen „Salben“. Manche setzen auf Perfektionismus, andere auf Shoppen, Lästern, Kontrolle, Leistungsdruck oder Süchte. Wieder andere lenken sich ab, um den Schmerz nicht zu spüren. Auch die Samariterin suchte Liebe in Beziehungen – eine Art, ihre Wunden zu lindern.
Doch all diese hausgemachten Salben sind nur oberflächliche Pflaster. Sie betäuben vielleicht kurz, aber sie heilen nicht. Sie stillen nicht den tiefen Durst unserer Seele, dieses unruhige Verlangen nach Liebe, Anerkennung und wahrer Zugehörigkeit.
Nach ihrem intensiven Gespräch mit Jesus erkannte die Samariterin,
Ihre tiefste Sehnsucht galt nie den Männern, mit denen sie zusammen war – nicht einmal ihrem eigenen Verhalten - Sie suchte nach etwas, das weit tiefer geht.
Ihre Suche nach Liebe, Anerkennung und Zugehörigkeit war nicht das Problem – das Problem war, dass sie an der falschen Quelle suchte. Erst in Jesus fand sie, wonach sie sich wirklich sehnte. Jede Sucht, jeder Götze ist letztlich nur eine falsch platzierte Hoffnung auf Erfüllung – etwas, das nur Jesus geben kann.
Sie erkannte, dass sie jemanden brauchte, der ‚alles weiß, was sie je getan hat‘ – und der es aushalten konnte. Jemand, der stark genug war, um ihr ‚alles‘ ans Licht zu bringen, und ihr eine Lösung geben konnte, die weit über all ihre eigenen, gescheiterten Versuche hinausging.
Anstatt Druck, Schuldgefühle oder moralische Predigten aufzuerlegen, bot Jesus ihr das „lebendige Wasser“ an (Johannes 4,14). Er predigte nicht einfach Verhaltensänderung, weil er wusste, Verhalten kann nie ein Herz verändern.
Merkst Du, mit Macht und Gewalt, mit einer harten Faust - werden wir nie Herzen verändern. Eine Begegnung mit Jesus, der liebevoll und wahrhaftig ist, verändert das Herz – und ein verändertes Herz bringt letztlich auch Verhaltensänderung hervor. Das ist das Prinzip im Reich Gottes. Viel zu oft predigen wir Verhaltensänderung („Das darfst du nicht“, „Das musst du“, „Hör auf damit“), ohne zu erkennen, dass das Problem nicht vorrangig unser Verhalten ist, sondern unser Herz.
Jesus kennt dich und mich vollständig – unsere Geschichten, Fehler, Scham und Sünden – und trotzdem lädt er uns ein, zu kommen und zu trinken. Er sagt: „Alles, was du je getan hast, kann unter mein Blut kommen.“ "Mein Blut gegen deine Schuld. Meine Freiheit gegen deine Fesseln. Süßes Wasser, das den Durst stillt, gegen salziges Wasser, das brennt"
Unsere Vergangenheit ist kein Hindernis für seine Gnade – kein Versagen, keine Schuld, kein Stück unserer Geschichte kann größer sein als seine Liebe. Das Kreuz ist genug für alles, was wir je getan haben.
Am Ende heißt es: „Viele von den Samaritern aus jener Stadt glaubten an ihn um des Wortes der Frau willen“ (Johannes 4,39). Unsere Scham, unsere Geschichte von „alles, was ich je getan habe“, kann zum Zeugnis werden. Das, was wir am liebsten verstecken würden, kann zur Botschaft werden, die andere rettet, Hoffnung schenkt und zeigt, dass Jesus unsere tiefsten Wunden heilen kann.
Und genau das ist die Einladung an dich heute: Egal, was du getan hast, egal wie zerbrochen oder unvollkommen du dich fühlst – Jesus sieht dich, kennt dich und lädt dich ein, zu trinken. Sein lebendiges Wasser stillt den Durst, den nichts anderes stillen kann.

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